Es war ein Wag­nis. 1927 Eröff­nung des Nür­bur­gring in der Eifel, in Berlin schließen sich die Come­di­an Har­monists zusam­men, Charles Lind­bergh erre­icht nach 33 Stun­den Paris: der erste transat­lantis­che Flug. 1928 flim­mert die berühmteste Maus der Welt zum ersten Mal durch die Kinosäle: Walt Dis­neys “Mick­ey Mouse”; auf der Berlin­er AVUS erre­icht ein Raketen­wa­gen der Fir­ma Opel einen Wel­treko­rd, von 0 auf 100 in 8 Sekun­den, Sir Alexan­der Flem­ing ent­deckt die Wun­der­waffe gegen bak­terielle Infek­tio­nen: das Peni­cillin. 1929 das größte Flug­boot der Welt, die Dornier X aus Deutsch­land begin­nt regelmäßige Transat­lantik­flüge. Dann die schw­er­ste Finanzkrise des 20. Jahrhun­derts, der Schwarze Fre­itag an der Wall Street: Börsen­crash in Ameri­ka und als­bald Weltwirtschaft­skrise. Schließlich: der Mar­burg­er Reli­gion­swis­senschaftler Friedrich +Irenäus Heil­er wagt den Traum der Einen Kirche und grün­det die Evan­ge­lisch-Katholis­che Eucharis­tis­che Gemein­schaft (EKEG). Er wird ihr erster Apos­tolis­ch­er Vorste­her als Bischof in apos­tolis­ch­er Sukzession.

1929 war ein Jahr, in dem nichts unmöglich schien. Die Wis­senschaft und Tech­nik bracht­en einen Durch­bruch nach dem anderen her­vor. Die Wirtschaft boomte. In Deutsch­land war man seit elf Jahren demokratisch. Kein Kaiser, kein König, keine Obrigkeit. Der Men­sch als sein eigen­er Sou­verän. Entschei­dend war allein das selb­st­bes­timmte Volk, das mit sein­er Frei­heit noch nicht umzuge­hen gel­ernt hat­te. Das zeigte sich bere­its 1930, also nur ein Jahr später, als die Reich­stagswahlen die NSDAP zur zweit­stärk­sten Partei macht­en. Der Glaube an eine gute Zukun­ft, in der es den Kindern noch bess­er gehen sollte als deren Eltern, prägte diese Zeit. Der Opti­mis­mus war der Stamm eines Baumes und unter­schiedliche Äste sproßen aus ihm, die süße ‒ und bit­ter­ste Früchte hervorbrachten.

Die evan­ge­lis­che Kirche des frühen 20. Jahrhun­derts hat­te mit der Abdankung des Kaisers ihre schw­er­ste Krise zu bewälti­gen. Seit dem Beginn der Ref­or­ma­tion hat­te man sich von den kirch­lichen Macht­struk­turen gelöst ‒ wider Willen lösen müssen, wenn man den Schriften Luthers glauben darf ‒ die neuen Macht­struk­turen nah­men nicht mehr von inner­halb der kirch­lichen Organ­i­sa­tion Ein­fluss auf die Zukun­ft der Kirche, son­dern von außer­halb. “Gib unser’m Volke und aller Obrigkeit Fried und gut Reg­i­ment”, wird die Bewe­gung Luthers sin­gen. Doch die weltliche und kirch­liche Obrigkeit wurde [sic!] am 9. Novem­ber 1918 abgedankt und floh in die Nieder­lande. Und die evan­ge­lis­che Kirchen­struk­tur ist über Nacht infrage gestellt geworden.

Diese Frage, wie es mit der evan­ge­lis­chen Kirche in Deutsch­land weit­erge­hen sollte, fand viele Antworten. Dass die Ref­or­ma­tion in ihrem Ursprungs­land einen Son­der­weg ging, anders etwa als in Skan­di­navien, wo altkirch­liche Amtsstruk­turen schlicht fort­ge­führt wur­den, trat jet­zt vie­len wieder deut­lich vor Augen. 1918 grün­det sich die Hochkirch­liche Vere­ini­gung als ein Zusam­men­schluss evan­ge­lis­ch­er The­olo­gen ‒ am 10. Novem­ber. Bere­its der Name rekur­ri­ert auf die anglikanis­che High-Church-Move­ment, und dieser Blick jen­seits des zer­brechen­den deutschen Kaiser­re­ich­es auf die Eine Weltkirche, die im altkirch­lichen Cre­do von Nizäa-Kon­stan­tinopel als “Una Sanc­ta Catholi­ca et Apos­toli­ca Eccle­sia” besun­gen wird, ist im Zen­trum der Aufmerk­samkeit ‒ ist das Ziel, auf das diese The­olo­gen ihre gesamte Schaf­fen­skraft aus­richt­en wollen. Sie gehören zu den Pio­nieren der öku­menis­chen Bewe­gung im 20. Jahrhundert.

Elf Jahre später wagt man in Deutsch­land einen Schritt, der für die Chris­ten der refor­ma­torischen Kirchen in Großbri­tan­nien, Skan­di­navien, Ameri­ka, Afri­ka so selb­stver­ständlich ist wie das Amen in der Kirche. Die Evan­ge­lisch-Katholis­che Eucharis­tis­che Gemein­schaft (später: St.-Johannes-Bruderschaft) führt das drei­gliedrige Amt der Alten Kirche wieder ein, nach­dem F. +Irenäus Heil­er zu ihrem Apos­tolis­chen Vorste­her bestellt wor­den war.

Ganz im Geist der Alten Kirche, die sich als die Eine Kirche in lokaler Ver­schieden­heit ver­stand, ging die EKEG im öku­menis­chen Sinne auf die anderen Großkirchen zu, die das Amtsver­ständ­nis dieser evan­ge­lis­chen Ordens­ge­mein­schaft als ihr ure­igen­stes wieder­erken­nen kon­nten. Und was sie dort wieder­erkan­nten, das erkan­nten sie voll­ständig an.

Nach 1933 ging es bergab mit der EKEG. 1934 ver­liert Heil­er seine Pro­fes­sur in München, weil er den “Ari­er­para­graphen” nicht unter­schreiben will; 1937 wer­den die öku­menis­chen Veröf­fentlichun­gen ver­boten, weil ihre Autoren den Blick auf die Eine Kirche in der Einen Welt gerichtet hal­ten; 1938 wird die EKEG ver­boten, weil sie dem “nation­al­sozial­is­tis­chen deutschen Volk­s­tum” widerspricht.

Nach dem Wahn kamen die Geschwis­ter zurück aus dem Unter­grund. 1947 wird die EKEG neu gegrün­det und umbe­nan­nt in Evan­ge­lisch-öku­menis­che St.-Johannes-Bruderschaft. Doch die Geschichte greift wieder in die Geschicke der Brud­er­schaft ein: 1948 muss sie sich in eine West- und eine Ost­brud­er­schaft aufteilen gemäß der Besatzungszo­nen. Während sie im West­en nur den Unmut der lan­deskirch­lichen Ämter und überkommen­er kirchen­prov­inzieller Struk­turen ertra­gen muss, wer­den die Fam­i­lien der Ost­brud­er­schaft staatlich ver­fol­gt. Kinder von Ost-Brüdern wer­den regelmäßig und staatlich-organ­isiert vor Schul­be­ginn von Schulka­m­er­aden ver­prügelt. Die Stasi unter­wan­dert die Ost-Brud­er­schaft, man kann einan­der nicht mehr ver­trauen. Da war auch der Schutz der Evan­ge­lis­chen Kirche der DDR, unter dem die Johan­nes­brud­er­schaft offiziell zur gesamten Zeit der DDR stand, nur nomineller Qualität.

Nach der Wiedervere­ini­gung der bei­den deutschen Staat­en kam es bis 1993 auch zur Wiedervere­ini­gung der bei­den Brud­er­schaften, die über die Zeit der Tren­nung nur spo­radisch Kon­takt hal­ten kon­nten. Es nimmt nicht wun­der, dass man sich erst wieder oder sog­ar neu ken­nen­ler­nen musste.

Heute ist die Hochkirch­liche St.-Johannes-Bruderschaft2014-04-26-17.48.54 eine öku­menis­che Ordens­ge­mein­schaft von Män­nern und Frauen in der Evan­ge­lis­chen Kirche in Deutsch­land. Sie soll ‒ dem Auf­trag der EKD-Denkschrift “verbindlich leben” gemäß ‒ Abbild sein und sich selb­st als eigene Aus­prä­gung der Kirche begreifen. Das bedeutet, dass sie neue Wege gehen muss, um das öku­menis­che Band zur Alten Kirche, zum HEr­rn der Kirche selb­st, zu pfle­gen und zu erhalten.

Sie lebt nach der Bitte Jesu Christi:
“auf dass sie alle Eins seien. Wie Du, Vater, in mir bist und ich in Dir, so sollen auch sie in uns Eins sein, damit die Welt glaube, dass Du mich gesandt hast.” (Joh 17,21)

Brud­er Cyprianus