Bei strahlend blauem Himmel und blühenden Osterglocken trafen sich die Geschwister der Hochkirchlichen St.-Johannes-Bruderschaft am Osterdienstag in Marburg. Das Thema dieser Tagung lautete “(Über-)Leben”. Dass damit das Überleben von kirchlichen Gemeinschaften gemeint ist, wurde ziemlich bald klar.
Am Nachmittag kamen wir nach und nach aus allen Himmelsrichtungen zusammen: Gemeinschaft leben, im Gebet zusammenkommen, aufatmen, Energie tanken.
Nach dem Abendessen trafen wir uns zu dem Vortrag von Dr. Jan Sadke. Sehr eindrücklich berichtete er von der “Erneuerung der Gemeinden in Westböhmen — 4 Modelle”. Anhand von vielen Bildern, gut recherchierten Informationen und persönlichen Erlebnissen und Erinnerungen erzählte er von den Entwicklungen verschiedener Gemeinden in Böhmen. Viele Hürden und Hindernisse, aber auch gute Ideen, Engagement und fleißige Mithilfe waren immer wieder nötig, um die kleinen Gemeinden nicht verschwinden zu lassen. Auch heute noch sind motivierte und engagierte Menschen wie unser Bruder Jaroslav, der in Tschechien lebt, und Dr. Sadke wichtig, damit sich Gemeindearbeit weiterentwickelt und die Gemeinden wachsen und gedeihen können.
Am Abend hatten wir noch die Gelegenheit mit Dr. Sadke ins Gespräch zu kommen. Ich erlebte ihn als sehr interessiert und neugierig. Besonders interessierte er sich für die ehrenamtlichen Aktivitäten in den verschiedenen Gemeinden, aus denen wir kommen, für das Engagement der Gemeindeglieder und die Verwaltung ehrenamtlicher Tätigkeiten.
Die Tagzeitengebete wurden diesmal etwas anders gestaltet als in den letzten Jahren. Bruder Johannes Chrysostomos hat sich die Arbeit gemacht und für alle Tagzeitengebete ein Heft speziell für die Osteroktav ausgearbeitet. Die Geschwister, die die Tagzeiten hielten, konnten dies mit dem Heft tun. Es wurde rege genutzt und war eine Art Probelauf für alle: Eine Mischung bekannter Hymnen und Psalmen sowie manch neuer Melodien. Für mich gehören die Tagzeitengebete zu den Höhepunkten einer jeden Tagung. In Gemeinschaft zu beten, zu singen, anzukommen, aufzuatmen und Kraft zu tanken — was der Seele gut tut.
Was mir gut tut, ist auch die Zeit mit meinen Brüdern und Schwestern zu verbringen, mich mit ihnen zu unterhalten, von ihrem Alltag, Familien und Arbeit zu hören, mit ihnen Höhen und Tiefen des Lebens zu teilen. Ob am Abend in geselliger Runde, in Einzelgesprächen, beim Ausflug zum Michelchen oder im Café in Marburg: Die Gemeinschaft mit den Geschwistern ist für mich ein ganz besonderer Genuss.
Am Ostermittwoch hat Vater +Thomas aus seinen Anfängen mit der Bruderschaft und seinen Begegnungen und seiner Beziehung zu Vater +Irenäus Friedrich Heiler berichtet. Seinen persönlichen Erinnerungen zu lauschen und so der Vergangenheit näher zu kommen, war für mich faszinierend und ein besonderes Erlebnis. In einer Zeit, in welcher immer öfter gerade die älteren Geschwister seltener kommen können, ob aus gesundheitlichen, persönlichen oder anderen Gründen, ist es so wichtig, die Begegnungen mit ihnen zu nutzen, nachzufragen, ihren Erzählungen zu lauschen und im Kontakt zu bleiben. „Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, nur der Vater.“ (Mt 24,36)
Auch Br. Johannes Chrysostomos hielt einen Vortrag über die „Rolle der kleinen Gemeinschaften“. Er stellte einige Thesen auf, benannte dazu Fakten und Informationen und regte zu intensiven Gesprächen und mitreißenden Diskussionen an. Hat die Institution Kirche Zukunft oder überlebt der Glaube in den kleinen Gemeinschaften?
Die Feiern der Messe waren geprägt von diversen Höhepunkten des geschwisterlichen Lebens. Am Osterdonnerstag wurden unsere Brüder Cyprianus und Bernhard zu Presbytern geweiht und am Weißen Sonnabend wurde unser Bruder Ignatius zum Subdiakon geweiht. Ich wünsche meinen Brüdern für ihre neuen Aufgaben Kraft, Zuversicht und Stärke im Glauben und Leben. Ich bin dankbar, dass unsere Gemeinschaft wächst und gedeiht, sich verändert und weiterentwickelt. Auch die kleine Gemeinschaft der Evangelischen Franziskaner-Tertiaren entwickelt sich weiter. In der Messe am Osterfreitag wurde die Leitung der EFT, die bisher bei Vater +Martin lag, an Pater Ulrich C. Wolf AAK und Bruder Jeremia J. Lechelt EFT/OFS übertragen.
Viel zu schnell verging die Woche und die Zeit der Abreise näherte sich. Eine gut gefüllte und doch erholsame Zeit voller Termine, Gebete, Gemeinschaft, Austausch und Auftanken im gemeinsamen Stundengebet oder in der Messe ging zu Ende. Wir haben unsere Gemeinschaft gelebt und konnten unser Akkus wieder aufladen. Ich sammelte Kraft für meinen Alltag und meine anstehenden Aufgaben und kehrte gestärkt zurück nach Hause.
Schwester Johanna