Der Weg, den wir mit Christus gehen, ist immer zuerst der Weg, den Er mit uns geht.
Auch 2019 hat die Osterfreude die Geschwister der Hochkirchlichen St.-Johannes-Bruderschaft nach Marburg geführt. Hier über Haus Sonneck regnet es zwar auch gelegentlich. Aber kein Wetter trübt den Blick, der Christus sucht.
Es braucht ja immer seine Zeit, um miteinander und beieinander anzukommen. Wie die Jünger erleben wir, dass die Auferstehung des Herrn uns anzieht, zugleich aber verstellt die Welt uns den Blick auf den vollendeten Herrn. Wir brauchen seine Selbstmitteilung im Brechen des Brotes, um mit offenen Augen sehen zu können.
Dann aber werden die Herzen munter. Am Dienstag feierten wir gemeinsam die erste Messe. So still und gesammelt die Messe selbst ist, so viel Lachen und Stimmen dringen um die Gebete herum über den Kirchenvorplatz, durch die Korridore und Flure von Haus Sonneck, wehen durch die lichten Winkel des Wintergartens, wollen auch am Esstisch nicht verstummen. Viele Geschwister haben einander ein halbes Jahr nicht mehr gesehen. Unser eher an den alten Eremiten, den Einsamen der Wüste, als an den in Klöstern versammelten Ordensleuten orientiertes Leben braucht hier die Gemeinschaft, wie es in der Welt den Rückzug braucht.
Am Mittwoch, den die Welt als Tag der Arbeit, die Kirche aber nach einer alten Tradition als Tag der Apostel Philippus und Jakobus begeht, wurde unsere Gemeinschaft und mit ihr die Kirche Christi um einen Subdiakon reicher. Vater +Martin weihte Br. Bernhard zum Dienst an der Verkündigung der Epistel und zur Mitarbeit am Altar bei der Bereitung der allerheiligsten Eucharistie. Unser Bruder trat damit ein in den Dienst der Leviten, wie er im Alten Bund bezeugt und bis heute von der Kirche lebendig gehalten wird.
Der folgende Tag war der des Heiligen Athanasius von Alexandrien. Ohne ihn und die durch ihn gewirkte Gnade Gottes stünden die Kirchen von Ost und West heute vermutlich nicht mit einem gemeinsamen Glaubensbekenntnis beieinander.
An diesem Tage weihte der Apostolischer Vorsteher Vater +Innocenz unseren Br. Cyprianus zum Diakon. Die Gebete aller Versammelten begleiten die Indienstnahme. Keine Weihe ist je eine gleichsam eigene Tat der Kirche, sondern immer die erflehte Gnade Gottes für sein Volk.
Ihm obliegt damit die Verkündigung des Evangeliums, das gleichsam den ersten Höhepunkt der Gottesbegegnung in der Heiligen Messe darstellt. Auch ist er als rechte Hand des Zelebranten nah am Geheimnis der Eucharistie. Der Diakon spendet den Kelch an die Gläubigen aus und ist als erster der Dienste unauslöschlich hineingenommen in diejenige Nachfolge Christi, die sich in den Ämtern der Kirche abbildet.
Eine schöne Fügung richtete es ein, dass ich selbst einen Tag später die Weihe zum Lektor empfing. Die Kirche beging an diesem Tag das Gedächtnis der Auffindung des heiligen Kreuzes. Freilich hat dieser Tag, obschon er von Geschichte und Geschichten erzählt, nicht historische Fakten im Blick. Vielmehr erinnert er uns daran, dass wir selbst immer wieder aufgerufen sind, das Kreuz Christi in unserem eigenen Leben zu suchen.
Damit war auf diesem Konvent je ein Diener für die Lesung und Verkündigung der Heiligen Schrift beauftragt worden. Der Lektor steht noch fern, er liest die uralten Wurzeln des Alten Testaments. Der Subdiakon bringt die Stimme der ersten Lehrer der Kirche zum Klingen in den Briefen des Neuen Testaments. Der Diakon schließlich leiht Christus seine Stimme, der im Evangelium selbst zu uns spricht.
Eine besondere Ehre war es uns, Erzbischof Mor Julius Hanna Aydin von der Syrisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland als Gast bei uns zu haben. Er brachte uns seine Kirche in ihrer Geschichte und ihrer Gegenwart nahe. Durch die Geschichte unserer Gemeinschaft sind wir der syrischen Kirche von Antiochien besonders verbunden.
Am Samstag, dem Tag der Abreise, empfing unser Bruder im Noviziat Christian die Heilige Firmung. Die Besiegelung mit heiligem Öl ist seit den Anfängen der Kirche die Zurüstung für das Festhalten an der Gnade der Taufe.
Und schon folgte der Reisesegen, und schon folgte der Abschied. — Und schon?
Die Konvente unserer Gemeinschaft sind für mich wie herausgelöst aus Zeit und Raum. In den gemeinsamen Feiern der Messe, der Stundengebete und dem Beisammensein hebt der Herr selbst uns ein Stück an sich heran. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein paar Tage in den Augen der Welt zu den entscheidenden Tagen in den Augen der Seele werden können.
Gebe Gott, dass wir alle die Osterfreude über die Auferstehung Christi in unseren Herzen pflegen und reichlich weiterschenken!
Br. Columbanus